Entscheidung

Datum: 06.06.2023
Aktenzeichen: 3 Ta 59/23
Rechtsvorschriften: RVG: §§ 32, 33 GKG: §§ 42 Abs. 1, 45 Abs. 1 und Abs. 3, 63, 68 ZPO: § 528 S. 2

1. Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Vergleichsabschlusses nach § 33 Abs. 1 RVG
2. Die Entscheidung des Erstgerichts ist durch das Beschwerdegericht nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen, sondern das Beschwerdegericht trifft eine eigene, unabhängige Ermessensentscheidung.
3. Die seit dem 01.06.2023 zuständige Kammer des LAG München für Beschwerden nach § 33 RVG und § 68 GKG folgt bei bestimmten typischen Fallkonstellationen im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit regelmäßig den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 09.02.2018.
4. Wird einem in der Klageschrift als Weiterbeschäftigungsantrag formulierten Antrag die Passage „Sollte die beklagte Partei im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklären, dass sie die klägerische Partei weiterbeschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, stellen wir folgenden weiteren Antrag:“ vorangestellt, ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Antrag nur angedroht, aber nicht rechtshängig gemacht werden soll, so dass für ihn mangels Rechtshängigkeit keine Wertfestsetzung erfolgt.
5. Die vergleichsweise Regelung über bezahlte Freistellung bis zum Kündigungstermin führt nicht zur Erhöhung des Vergleichswertes, wenn zwischen den Parteien ein Beschäftigungsanspruch streitig war, der ebenfalls durch den Vergleich erledigt worden ist. Die Regelung über die Freistellung ist nur das kontradiktorische Gegenteil des Beschäftigungsanspruchs und damit sind kostenrechtlich beide ein Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 GKG analog.
6. Stand eine betriebsbedingte Kündigung im Streit oder fehlen Angaben über die Kündigungsgründe, bedarf es zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung regelmäßig näherer Angaben, aus denen ein im Zeitpunkt des Vergleichs bestehender Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann.
7. Streiten die Parteien zugleich über ein Zwischen- und ein Endzeugnis bzw. wird in einem Prozessvergleich zu beiden Zeugnisvarianten eine inhaltlich korrespondierende Regelung vereinbart, ist der Gegenstandswert nach dem kostenrechtlichen Streitgegenstandsbegriff regelmäßig auf insgesamt ein Monatseinkommen festzusetzen. Der gesamte Zeugniskomplex bzw. beide Zeugnisvarianten betreffen bei wirtschaftlicher Betrachtung ein einheitliches Interesse. Die Vereinbarung einer Bedauerns-, Dankes- und Wünscheformel rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil sie nur unwesentlich zur Erreichung des Zeugniszwecks beiträgt.
8. Der in einem Bestandsstreit hilfsweise gestellte Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist nur dann bei der Gegenstandswertfestsetzung nach § 45 Abs. 4 iVm. Abs. 1 S. 2 GKG zu berücksichtigen, wenn ein über den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung hinausgehender Bestand des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde und dieser Beendigungszeitpunkt bei Vergleichsabschluss bzw. Ablauf der Widerrufsfrist noch nicht verstrichen ist.
9. Bei Beschwerden gem. § 33 Abs. 3 RVG gegen die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren ist auch eine Verschlechterung (reformatio in peius) möglich.

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