Entscheidung

Datum: 11.12.2023
Aktenzeichen: 1 Sa 164/23
Rechtsvorschriften: § 174 S. 2 BGB, § 626 Abs. 2 BGB, § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG, § 1 Abs. 2 KSchG

  1. Die Bezeichnung als „kommissarische Personalleiterin“, verbunden mit dem Zusatz „i.V.“ in einem Kündigungsschreiben, stellt kein das Zurückweisungsrecht nach § 174 S. 2 BGB ausreichendes In-Kenntnis-Setzen von der Kündigungsberechtigung dar.
  2. Führt der Arbeitgeber das Verfahren zur Zustimmung zu einer Kündigung vor dem Inklusionsamt durch, weil der Arbeitnehmer längere Zeit vorher behauptet hatte, einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt zu haben, nimmt er das Risiko in Kauf, dass die Schwerbehinderteneigenschaft nicht besteht mit der Folge, dass die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht durch den rechtzeitigen Eingang des Antrags beim Inklusionsamt gewahrt ist. Im Übrigen ist nach einem Bescheid des Inklusionsamtes die Kündigung unverzüglich auszusprechen (§ 174 Abs. 5 SGB IX). Es läuft keine erneute Zwei-Wochen-Frist.
  3. Klagt ein Ersatzmitglied des Betriebsrats gegen eine ihm gegenüber ausgesprochene außerordentliche Kündigung, rückt es bei Ausscheiden eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat in die Stellung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds ein, obwohl es im Hinblick auf die Kündigung gehindert ist, Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen. Ihm kommt auch in diesem Fall der nachwirkende Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG zugute mit der Folge, dass für ein Jahr nach Ablauf der Amtszeit ordentliche Kündigungen ausgeschlossen sind.
  4. Aus diesem Grund ist auch ein vom Arbeitgeber gestellter Auflösungsantrag nicht zulässig.
  5. Nennt der Arbeitnehmer im Verfahren vor dem Inklusionsamt – bei dem der Arbeitgeber die Zustimmung zur betriebsbedingten Kündigung mit der Begründung beantragt hat, die Aufgaben des betroffenen Arbeitnehmers sollten zum Teil fremdvergeben, zum Teil auf bestimmte andere Beschäftigte verlagert werden – im Hinblick auf die soziale Auswahl und auf die Unmöglichkeit der weiteren Belastung der anderen Beschäftigten deren Sozialdaten sowie deren Ausfallzeiten und deren Ausscheidenszeitpunkte, sind eventuelle Datenschutzverstöße vom berechtigten Interesse des Arbeitnehmers zur Verteidigung seiner Rechtsposition vor dem Inklusionsamt gedeckt und berechtigen weder zur außerordentlichen noch zur ordentlichen Kündigung.

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